Vor wenigen Tagen erhielt ich eine Mail mit Fragen von einer Haarer Bürgerin zur Corona-Pandemie. Ich habe ihr geantwortet und hoffe, dass diese Antworten auch für sich verständlich sind, denn die Ausgangsmail werde ich natürlich nicht veröffentlichen. Mein Text fasst einige meiner Gedanken zu Wissenschaft, Politik und Umgang mit “anderen Meinungen” zusammen.
Die Gemeinde ist als Entscheider weitgehend außen vor und damit als Ansprech- oder Diskussionspartner nur in sehr geringem Maß geeignet. Nahezu alle relevanten Entscheidungen fallen auf Landkreisebene oder höher. Das hat schon auch seinen Sinn, denn sonst wird der regionale Flickenteppich noch größer und zu jeder Maßnahme gäbe es nebenan eine Ausnahme oder Alternative. Lediglich einige Dinge, wie CO2-Messung oder die Anschaffung von Luftfilter bleiben in Gemeindehoheit.
Zur Belastung von Kindern durchs Maskentragen würde ich als Naturwissenschaftler sagen, da müssten Studien her, die Auswirkungen abfragen und möglichst objektiv belegen. Wenn es bei dem subjektiven Gefühl von Kindern und insbesondere Eltern bleibt, sollte auch das ernst genommen werden, es würde aber kaum reichen, um neue oder andere Anti-Corona-Maßnahmen darauf zu gründen. Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Studien in Arbeit sind, wenn Sie schon welche kennen, würde dies für eine ernsthafte Diskussion sehr hilfreich sein. Gerade die sich häufig ändernde Einschätzung durch Fachleute zeigt mir, dass der Erkenntnisfortschritt bei dieser Erkrankung noch lange nicht abgeschlossen ist und diese Mischung aus verworfenen und bestätigten Hypothesen ist gute wissenschaftliche Praxis.
Politisch würde ich Sie bitten, die Situation auch einmal aus der Perspektive der politischen Entscheidenden zu sehen. Es gilt, eine große Gefahr abzuwenden oder wenigstens einzudämmern, eine Gefahr deren direkte Analyse außerhalb der Fähigkeiten der meisten von denen liegt, die entscheiden müssen. Was bleibt anderes über, als den Expert*innen und Institutionen zu vertrauen, die als die besten auf ihrem Fach ausgewiesen sind und deren Ratschlägen zu folgen. Wenn also diese irren oder ihre Meinung revidieren, wird auch die Politik Kehrtwenden machen. Aber wenigstens mir fällt keine Handlungsalternative ein, die vorzuziehen wäre.
Sie deuten an, dass man schnell in einen gemeinsamen Topf mit “Covidioten” geworfen wird, ja, das kann ich nachvollziehen. Allerdings verstehen Sie vermutlich auch, dass viele selbsternannte Querdenker mit ihrer Mischung aus unendlichem Selbstsicherheit gepaart mit Faktenresistenz und Ahnungslosigkeit die Nerven aller, die wissenschaftlich, politisch und auch nur mitmenschlich gegen die Pandemie angehen, aufs Äußerste strapazieren. Da ist ein Abwehrreflex und vielleicht auch ein Unwille, stets genau zu differenzieren, wohl auch menschlich verständlich. Für mich gilt: Je stärker die Meinung, desto belastbarer sollten die sie stützenden Argumente sein. Und wenn ich selbst vom Fachgebiet wenig verstehe, dann halte ich mich an die, deren Expertise nachweislich die höchste ist. Auf dieser Grundlage sollten Sie nicht davor zurückschrecken, Ihre eigenen Position offen zu vertreten.
Verwandte Artikel
Mein KI-Vortrag in der vhs
Am 16. Oktober 2024 war ich von der Leiterin der Haarer Volkshochschule Lourdes Ros de Andrés eingeladen, mit ihr über die Chancen und Risiken der neuen “generativen KI” zu diskutieren….
Weiterlesen »
Hellmuth Plenz-Ohra
Fund Wenn man aufräumt, findet man gelegentlich Überraschendes. So ging es mir vor wenigen Wochen, als ich ein Buch meines Vaters über die Nazi-“Euthanasie” in Schwaben (Die graune Busse in…
Weiterlesen »
Haar wird Stadt!
Auch ich habe den Antrag befürwortet, nicht weil er die Welt verändert, aber weil er zur veränderten Realität Haars passt. Aber Ausruhen auf den Lorbeeren des neuen Titels wäre…
Weiterlesen »