Die Haarer CSU hat im Haarer Gemeinderat am 23. März 2021 einen Antrag auf eine Befragung der Bürgerinnen und Bürger zur Entwicklung der B304 gestellt (Wortlaut: “… eine umfassende Bürgerbefragung zur Nutzung und Aufteilung des Straßenraums der Kreiller-, Wasserburger Land- und Münchner Straße (8304) … für die verschiedenen Mobilitätsarten … durchzuführen.”) Dieser Antrag wurde auch in den Medien aufgegriffen und es klingt ja im ersten Moment durchaus positiv, betroffene Menschen am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Der Antrag wurde jedoch von SPD und Grünen mit 15:14 Stimmen abgelehnt. Hier dokumentiere ich meine Rede im Gemeinderat, mit der ich – letztendlich erfolgreich – begründet habe, warum der Antrag zur Unzeit gestellt wurde und in der ich ein anderes Vorgehen vorgeschlagen habe.
Lieber Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
nun hat die CSU einen Antrag für eine Bürgerbefragung zur B304 gestellt, ja sogar eine umfassende Befragung in Haar, Vaterstetten und München. Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist sicher ein Stichwort, das auch bei uns Grünen klar positiv besetzt ist. Doch bevor man zu einer neuen Befragung und ihren möglichen Fragestellungen kommt, lohnt es sich meines Erachtens, dass wir uns kurz in Erinnerung rufen, welche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wir zum Thema Mobilität in Haar in den letzten Jahren bereits verwirklicht haben und zu welchem Ergebnis wir einvernehmlich gelangt sind.
Wir alle wissen, dass wir in den letzten Jahren das neue Mobilitätskonzept für Haar erarbeitet haben und das mit intensiver und vielfältiger Beteiligung der Haarerinnen und Haarer: Fragebögen, Workshops, Bürgergutachten. Neben den Experten, der Verwaltung und den Mitgliedern des Gemeinderts haben Hunderte Haarerinnen und Haarer ihre Ideen eingebracht, beziehungsweise die vorliegende Ideen diskutiert und begutachtet.
Und am 21. Juli 2020 war es dann so weit, ich zitiere: „Der Gemeinderat beschließt das vorliegende integrierte Mobilitätskonzept für die Gemeinde Haar“. Ergebnis 28:0 Stimmen. Darin heißt es unter anderem: “Ziele für den Motorisierten Individualverkehr: fließender Verkehr: 1. Reduzierung des Motorisierten Individualverkehrs, 2. Verlagerung von MIV auf die Verkehrsmittel des Umweltbundes, im Binnenverkehr sowie im Ziel- und Quellverkehr.“
Da ja auch die Landeshauptstadt München in die Befragung einbezogen werden soll, sei auch ein kurzer Blick auf die Beschlusslage Münchens erlaubt. Dort hat vor einem Jahr der sehr erfolgreiche Radentscheid stattgefunden. Der Stadtrat hat den Antrag des Bürgerbegehrens übernommen und unter anderem beschlossen: „vier Ziele für einen attraktiven, leistungsfähigen und sicheren Radverkehr kontinuierlich und verkehrspolitisch vorrangig zu verfolgen: Qualität von Radwegen, Durchgängiges Rad-Vorrangnetz und weitere. …wobei diese Maßnahmen prioritär durch Umwidmung von Flächen für Kfz-Fahrspuren oder Kfz-Parkplätze und gegebenenfalls auch zu Lasten der Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs umgesetzt werden sollen. Dieser verkehrspolitischen Weichenstellung hat erfreullicherweise auch die CSU im Münchner Stadtrat zugestimmt.
Soweit die Beschlusslage in Haar und München, die Ausgangspunkt von möglichen Befragungen sein müssten. Nun kann und wird es ja immer so sein, dass neue Verkehrsideen auftauchen, die auch neue Analysen und Befragungen sinnvoll erschienen lassen. In Haar sind dies momentan die Idee, die Tram entlang der B304 bis in den Ort zu verlängern und die Vision eines Stelzenradwegs über der B304.
Ja, hier könnte man Bürgerinnen und Bürger mitwirken lassen und eventuell auch Fragen stellen, aber Fragen brauchen belastbare Grundlagen! Wir müssen doch erst einmal Basisinformationen über diese Ideen haben. Wir müssten wissen, wie sich die B304 verändern würde, welche Umbaumaßnahmen nötig wären, welche Kosten geschätzt werden, welcher Zeitplan machbar wäre und wie viele Menschen die neuen Angebote annehmen und umsteigen würden. Wenn wir das wissen, dann können wir auf Menschen mit Fragen zugehen, vorher jedoch nicht.
Was die Tram angeht, passt es hier sehr gut, dass die Stadt München und jetzt auch der Kreistag München Land ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, das genau diese Fragen untersuchen wird und ich bin jetzt schon auf die Antworten gespannt und hoffe, dass sie das Projekt voranbringen. Beim Stelzenradweg fehlt uns leider noch fast jede Information. Eine schnelle Internetrecherche ergibt, dass in Xiamen in China und in Melbourne ähnliche Projekte verwirklicht wurden und dass man sicher mit einer dreistelligen Millionensumme für das Projekt rechnen muss. Aber auch hier gilt: Wir brauchen ein Grobkonzept, bevor man Bürgerinnen und Bürgern sinnvolle Fragen stellen kann.
Daher meinen wir, dass als erster Schritt die angedachten Projekte grob skizziert und bewertet werden müssen. Wenn diese Info vorliegt, sollten die Verwaltung oder auch ein Arbeitskreis, die Form und den Umfang der möglichen Bürger*innenbeteiligung ausarbeitet und dann kann im dritten Schritt die Beteiligung starten.
Den 3. Schritt vor dem ersten zu machen, ergibt jedoch keinen Sinn und lässt den Eindruck von wenig durchdachten Aktionismus entstehen. Daher werden wir den Antrag als vorschnell gestellt und nicht präzise genug dargelegt, ablehnen. Lasst uns zusammen etwas Besseres ausarbeiten, nachdem die Grundlagen für eine sinnvolle Bürger*innenbeteiligung gelegt wurden.
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